Ecce homo: (Er)kenne, vor wem man schützen muss! Psychologische und kriminologische Aspekte der Pädosexualität als Materie gefahrenabwehrrechtlicher Erwägungen von Behörden
Ursula Gasch & Christian Bitzigeio
In: DIE POLIZEI (2022)
(in print)
Ursula Gasch & Christian Bitzigeio
In: DIE POLIZEI (2022)
Christian Bitzigeio, Weil am Rhein & Dr. Ursula Gasch, Tübingen
In: Die POLIZEI – Fachzeitschrift für die öffentliche Sicherheit mit Beiträgen aus der deutschen Hochschule der Polizei
Heft 10/2021, Seite 443-449
Im Rahmen der grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung ist die Bundespolizei auch für die Übernahme von im Ausland wegen sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilten und von dort rückgeführten deutschen Staatsangehörigen zuständig. Diesem Deliktsbereich ist eine hohe Komplexität und Vielschichtigkeit immanent. Reisen diese Personen in das Bundesgebiet ein, stellt sich vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Rückfallquote regelmäßig die Frage des individuellen Gefahrenpotentials. Eine solide Risikoeinschätzung basiert auf der Synthese von Befunden unter anderem aus den Bereichen Psychologie, Kriminologie und Medizin. Als erstbefasste Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörde trägt die Bundespolizei die Verantwortung, dass erforderliche Maßnahmen eingeleitet und zuständige Inlandsbehörden involviert werden. Versäumnisse können verehrende Folgen zeitigen. Aus diesem Grund ist neben soliden Rechtskenntnissen zumindest Basiswissen betreffend pädosexuelle Phänomenologie in ihren interdisziplinären Bezügen zentral.
EPHK Christian Bitzigeio: M.A., stv. Leiter Ermittlungsdienst einer Bundespolizeiinspektion, freier Kriminologe und Polizeiwissenschaftler
Dr. Ursula Gasch, Diplompsychologin und Kriminologin, Fachpsychologin für Klinische Psychologie und Psychotherapie BDP/DGPs, Forensisch-Psychologische Sachverständige, Leiterin des Instituts für Gerichts- und Kriminalpsychologie in Tübingen
Für Richter und Staatsanwälte sind sicherheitsrelevante Vorfälle an deutschen Gerichten längst keine Seltenheit mehr. Jeder einzelne Vorfall verdeutlicht das prinzipiell immer gegenwärtige Gefährdungsrisiko sowie die Notwendigkeit, strukturelle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die individuelle Sensibilität zu erhöhen, Risiken zu bewerten und gegebenenfalls angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Dies beginnt bereits beim Aktenstudium der Juristen in Vorbereitung auf die jeweilige Verhandlung – Hinweise auf psychische Auffälligkeiten, drohenden Gesichtsverlust oder krisenhafte Lebensereignisse (z.B. im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreit) können bereits ein Warnsignal darstellen. Dabei scheint es in der Strafgerichtsbarkeit nicht öfter zu Aggressionen und tätlichen Übergriffen zu kommen als beispielsweise in den Bereichen der Familien-, Sozial- oder Arbeitsgerichtsbarkeit.
Noch fehlt ein bundeseinheitliches Lagebild zu Attacken auf Richter und Staatsanwälte im deutschen Raum. Der Bereich der Gerichtspsychologie wird nun aber auch (endlich) in Deutschland langsam um den Aspekt erweitert, der den Menschen in Robe in den Fokus rückt und würdigt.
außerdem:
http://dr-gasch.de/2011a-psychische-eigensicherung-fuer-potentielle-entfuehrungsopfer/
Zum Thema Gaffen:
U. Gasch (2018): Gaffen 4.0: Schneller auf Youtube als im Rettungswagen
http://dr-gasch.de/2010a-sexueller-missbrauch-in-der-katholischen-kirche-aktuelle-befunde/
https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-Studie-gesamt.pdf
Fortbildungsveranstaltung der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe für Fachanwälte für Straf- und Familienrecht
am 21.Mai 2019
Veranstaltungsort: Ehrenbergsaal des Bürgerzentrums in Bruchsal
Ursula Gasch und Anja Mack in: Handbuch der Psychotraumatologie (2019)
3. Auflage (Hrsg.: Seidler,G., Freyberger, H. & Maercker, A.) Verlag: Klett-Cotta, S. 484-518
Unabhängig von der professionellen Zugehörigkeit erlebt jeder, der beruflich mit Sexualdelikten befasst ist, dass dem Phänomen selbst und vor allem Geschädigten und Tätern nur vor einem interdisziplinären Hintergrund angemessen begegnet werden kann. Sexualstraftaten sind Delikte, die in der Regel die körperliche Integrität und die Persönlichkeit der Geschädigten extrem tangieren. Dabei ist die juristische wie auch die psychische Aufarbeitung gerade auch sexueller Gewalterfahrungen in der heutigen Zeit – nicht zuletzt wegen der großen Medienwirksamkeit – ein höchst sensibles Feld. Die jüngste große gesetzgeberische Veränderung im Zusammenhang mit Straftaten gegen die Sexuelle Selbstbestimmung erfolgte im Jahr 2017.
Während der Geschädigte früher lediglich Zeuge und Beweismittel im Strafverfahren war, setzte die besondere Beachtung eines Opfers in Deutschland als eigenständige und mit eigenen Rechten ausgestattete Rechtspersönlichkeit Mitte der 1970er Jahre ein. Zu dieser Zeit gründete sich auch die Opferhilfevereinigung »Weißer Ring«, welche dazu beitrug, Aufgaben und Anliegen der Opferhilfe auf breiter Ebene publik zu machen.
Der aktuelle Beitrag setzt sich aus einer interdisziplinären Warte mit diversen Aspekten der Sexualdelikte und insbesondere auch verschiedenen Opfergruppen auseinander. Themen sind:
weitere Beiträge:
Beitrag vorgestellt im Rahmen der Südwest-Konferenz der Kirchlichen Mentoren und Ausbildungsleiter/Innen
am 16. März 2019
Veranstaltungsort: Priesterseminar St. German in Speyer
In: Kriminalistik 12/2018 (S. 734- 738)
Vermeintliche Erinnerungen an tatsächlich nie stattgefundene Ereignisse können unter bestimmten Umständen künstlich generiert und verstärkt werden. Solche Scheinerinnerungen weisen aus aussagepsychologischer Sicht mitunter eine sogar hohe Aussagequalität auf und sind nur mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, sofern keine Hinweise für eine erhöhte Suggestibilität des Zeugen vorliegen. Als eine mögliche Fehlerquelle haben sich in diesem Zusammenhang einem Strafverfahren vorangehende und begleitende traumatherapeutische Behandlungen erwiesen. Insofern ist ein Streit darüber entbrannt, ob es nicht besser wäre, einem mutmaßlich geschädigten Zeugen nahe zu legen, bis zum Abschluss der Beweisaufnahme auf psychotherapeutische Unterstützung zu verzichten.
außerdem:
Vortrag beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg / AK Opferschutz am 19. Juli 2018
Wohlmeinende Unterstützer innerhalb und außerhalb des therapeutischen Settings laufen Gefahr , zum Entstehen und zur Stabilisierung von „falschen Erinnerungen“ beizutragen, da bereits positive Rückmeldungen suggestive Wirkung entfalten können. Dies gilt es im Ermittlungs- und Strafverfahren imZusammenhang mit der Frage nach der Aussageentstehung dringend zu berücksichtigen.
Beitrag vorgestellt auf der Fachtagung: „Im Blick: Psychische Traumafolgen“
am 05.03.2018 im Rahmen des 26. Opferforum in Mainz
Bei der Begutachtung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen geht der Aussagepsychologe nach einer hypothesengeleiteten Methode vor, welche die Nullhypothese („Die Aussage ist unwahr“) erst als widerlegt erachtet, wenn überwiegende Gegengründe plausibel aufgezeigt werden können. Eine maßgebliche Rolle kommt hierbei dem menschlichen Gedächtnis zu, welches komplex, begrenzt und durchaus störanfällig ist: Erinnerungen verändern sich ständig unbewusst aufgrund neuer Eindrücke. So kommt es bei Zeugenaussagen nicht selten zu subjektiv wahren, aber objektiv unzutreffenden Darstellungen. Begleitumstände und Rahmenbedingungen von Aussageentstehung und -genese sind insofern im Rahmen der aussagepsychologischen Begutachtung von großer Bedeutung. Neben der bewussten Falschaussage spielt auch der potenzielle Einfluss suggestiver Faktoren eine beträchtliche Rolle bei der gutachterlichen Fehlerquellenanalyse. Sogenannte Pseudoerinnerungen können durch aktive Suggestion oder Autosuggestion entstehen. Gerade affektive oder kognitive Bedürfnisse, womöglich einhergehend mit einer emotional-instabilen Persönlichkeitserkrankung oder -Akzentuierung, machen Personen mitunter stark empfänglich für suggestive Einflüsse. Mahnende Stimmen aus der juristischen, kriminalistischen und rechtspsychologischen Literatur (vgl. Eschelbach 2016, Köhnken 2015, Gasch 2015, Mack 2014) weisen darauf hin, dass bereits das Strafverfahren selbst, sowie informatorische Vorgespräche und begleitende „aufdeckende Therapien“ etc. etliche Einfallstore bieten, welche zu einer Modifikation von Erinnerungen bei der betroffenen Person führen können und dass dieses Risiko strukturell unterbewertet wird.
Psychotherapie während des Strafverfahrens(?) – Rollen, Regeln und Spannungsfelder
Beitrag vorgestellt an der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der LMU München am 23.01.2018