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Potential sources of error when establishing the facts – recognising false memories

Vortrag / Publikation im Kongressband:

„Mögliche Fehlerquellen bei der Tatsachenfeststellung – Scheinerinnerungen erkennen“

21. Internationaler Kongress „Criminalistics and Forensic Expertology: science, studies, practice“

Gdansk / Danzig, 18.-20. Sept. 2025

 

Zusammenfassung

Zur Aufgabe des aussagepsychologischen Sachverständigen zählt vornehmlich die Prüfung, ob eine Aussage eine Falschbehauptung darstellt, oder ob sie zwar der subjektiven Realität einer Person entspricht, objektiv aber unzutreffend und damit nicht erlebnisfundiert ist. Inzwischen unumstritten ist, dass Erinnerungen an nie stattgefundene Ereignisse unter bestimmten Umständen künstlich generiert und verstärkt werden können. Fatal ist, dass Scheinerinnerungen aus aussagepsychologischer Sicht eine mitunter sogar hohe Aussagequalität aufweisen und schwer belegbar sind, sofern sich keine Hinweise für eine erhöhte Suggestibilität des Zeugen finden und keine entsprechenden Außenkriterien bzw. Sachbeweise auszumachen sind. Als nicht unerhebliche mögliche Fehlerquellen haben sich in diesem Zusammenhang dem Ermittlungs- und Strafverfahren vorangehende und begleitende traumatherapeutische Behandlungen, aber auch der intensive tatbezogene Austausch im sozialen Nahraum oder in Selbsthilfegruppen und Internetforen sowie sonstige mediale Einflüsse, erwiesen. Im Fokus dieses Beitrags stehen die Besonderheiten einer Aussageperson sowie externer Faktoren, wie klinische Diagnosestellung und das Procedere einer Traumatherapie, im Hinblick auf das Risiko der Entstehung von Scheinerinnerungen und korrespondierende Folgen für die Einschätzung der Glaubhaftigkeit im Rahmen der aussagepsychologischen Systematik.

Summary

The task of the psychological expert witness is primarily to examine whether a statement is a false assertion or whether it corresponds to the subjective reality of a person but is objectively incorrect and therefore not based on experience. It is now undisputed that memories of events that never happened can be artificially generated and reinforced under suggestive circumstances. Furthermore it is fatal that, from the point of view of testimonial psychology, false memories sometimes even have a high quality of testimony and are difficult to substantiate unless there are indications of increased suggestibility on the part of the witness and no corresponding external criteria or material evidence can be identified. In this context, trauma therapy treatments preceding and accompanying the investigation and criminal proceedings, but also the intensive crime-related exchange in the social environment or in self-help groups and internet forums, as well as media influences, have proven to be not insignificant potential sources of error. This article focuses on the particularities of a witness and external factors, such as clinical diagnosis and the procedure of trauma therapy, with regard to the risk of evoking false memories and the corresponding consequences for the assessment of credibility within the framework of the psychological system of testimony.

Einfluss der Psychotherapie auf das Strafverfahren: Veränderung der Aussage des Opferzeugen aus gutachterlicher Sicht

Beitrag vorgestellt auf der Fachtagung: „Im Blick: Psychische Traumafolgen“
am 05.03.2018 im Rahmen des 26. Opferforum in Mainz

 

Bei der Begutachtung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen geht der Aussagepsychologe nach einer hypothesengeleiteten Methode vor, welche die Nullhypothese („Die Aussage ist unwahr“) erst als widerlegt erachtet, wenn überwiegende Gegengründe plausibel aufgezeigt werden können. Eine maßgebliche Rolle kommt hierbei dem menschlichen Gedächtnis zu, welches komplex, begrenzt und durchaus störanfällig ist: Erinnerungen verändern sich ständig unbewusst aufgrund neuer Eindrücke. So kommt es bei Zeugenaussagen nicht selten zu subjektiv wahren, aber objektiv unzutreffenden Darstellungen. Begleitumstände und Rahmenbedingungen von Aussageentstehung und -genese sind insofern im Rahmen der aussagepsychologischen Begutachtung von großer Bedeutung. Neben der bewussten Falschaussage spielt auch der potenzielle Einfluss suggestiver Faktoren eine beträchtliche Rolle bei der gutachterlichen Fehlerquellenanalyse. Sogenannte Pseudoerinnerungen können durch aktive Suggestion oder Autosuggestion entstehen. Gerade affektive oder kognitive Bedürfnisse, womöglich einhergehend mit einer emotional-instabilen Persönlichkeitserkrankung oder -Akzentuierung, machen Personen mitunter stark empfänglich für suggestive Einflüsse. Mahnende Stimmen aus der juristischen, kriminalistischen und rechtspsychologischen Literatur (vgl. Eschelbach 2016, Köhnken 2015, Gasch 2015, Mack 2014) weisen darauf hin, dass bereits das Strafverfahren selbst, sowie informatorische Vorgespräche und begleitende „aufdeckende Therapien“ etc. etliche Einfallstore bieten, welche zu einer Modifikation von Erinnerungen  bei der betroffenen Person führen können und dass dieses Risiko strukturell unterbewertet wird.