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Gaffen kann süchtig machen

Spiegel Online (Panorama) am 19.11.2017: Interview von Jean-Pierre Ziegler

Für die Rettungskräfte war es ein außergewöhnlich strapazierender Einsatz. Drei Menschen starben bei einem schweren Unfall auf der A3 im Spessart und die Autobahn wurde voll gesperrt. Fast zwölf Stunden am Stück arbeiteten manche der ehrenamtlichen Feuerwehrleute an der Unfallstelle. Ein Feuerwehrmann bespritzte Fahrzeuge von aggressiven Schaulustigen mit Wasser – auch um die Fahrer vom Fotografieren abzuhalten.

Woher kommt die Lust am Gaffen? Antworten von der Kriminalpsychologin Ursula Gasch.

Link zum Artikel

Gaffen 4.0 – Schneller auf Youtube als im Rettungswagen!

Von Ursula Gasch und Luise Weber

Fachzeitschrift Kriminalistik, Ausgabe 10/2017, S. 571 ff.

Gaffer scheinen keinen Entscheidungskonflikt auszutragen, der damit im Zusammenhang steht, einen Beitrag zur Rettung Verunglückter zu leisten. Sie betrachten, von der Situation überwältigt und gefesselt, die Szenerie – verharren und können sich kaum davon lösen und beispielsweise einfach weiterfahren. In jüngerer Zeit beobach-ten wir daneben verstärkt eine durch erhebliche Aggression geprägte Spezies dieser unerwünschten Zuschauer. Diese werden plötzlich selbst zum Teil des Szenarios, indem sie sich „in die erste Reihe“ drängen und Opfer aus allernächster Nähe betrachten, Filmen oder Fotos machen, um diese hochzuladen – aktiv, aggressiv und rück-sichtslos.

Die Lust an spektakulären Ereignissen, bei denen andere Menschen Leid erfahren, ufert in den letzten Jahren quantitativ und qualitativ aus. Immer öfter fordern Gaffer einen offenbar gefühlten Anspruch auf Teilhabe am Geschehen ein und scheuen sich nicht, diesen auch aggressiv und rücksichtslos durchzusetzen. Der Beitrag beleuchtet historische und konzeptionelle Zugänge zur Entwicklung eines an sich nicht neuen, jedoch in seinen neuzeitlichen Ausprägungen und Auswüchsen zunehmend bedrohlichen Phänomens. Besondere Berücksichtigung finden kriminalpsychologische und juristische Aspekte, aber auch Aspekte der fortschreitenden Technisierung und Digitalisierung der menschlichen Lebenswelt sowie die Wechselwirkung von virtueller und realer Sozialisation (Mindset-Problematik). Diskutiert wird weiter, inwiefern dem Verhalten von Gaffern durch Gesetze oder andere Maßnahmen Einhalt geboten werden kann.

https://www.researchgate.net/publication/320504876_Gaffen_40_-_Schneller_auf_Youtube_als_im_Rettungswagen_Kriminalpsychologische_Annaherung_an_den_hasslichen_kleinen_Bruder_der_Neugier

außerdem:

http://dr-gasch.de/gaffen-kann-suechtig-machen/

http://dr-gasch.de/und-alle-schauen-zu-wenn-gewalttaten-live-auf-facebook-uebertragen-werden/

https://www.zeit.de/wissen/2019-05/schaulustige-gaffer-unfall-psychologie

https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/hinsehen-bei-unfaellen-ab-wann-ist-es-gaffen-und-wieso-tun-wir-es/

 

Meta- und Cybercrime: Quo Vadis? Grundlegende kriminalpsychologische Gedanken im Zusammenhang mit strafrechtlich relevantem Verhalten in virtuellen Welten

Buchbeitrag in: Kriminalistik: gestern – heute – morgen, Hrsg.: H. Artkämper und H. Clages. Festschrift zum 10-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik. Schriftenreihe der DGfK. S. 145-161