Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche – Aktuelle Befunde

Fachzeitschrift Trauma & Gewalt. Forschung und Praxisfelder, Heft 2 / 2010, S. 94 – 104.

Autorin: Dr. Ursula Gasch, Diplom-Psychologin und Kriminologin

Bezüglich des Kindesmissbrauchs erscheint der Anteil katholischer Würdenträger als Täter jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung herausragend. Ein deutliches Signal setzte in diesem Zusammenhang der höchste katholische Würdenträger selbst zum Auftakt seines Amerika- Besuchs bereits im April 2008: So hat sich Papst Benedikt XVI. zur Häufung von Missbrauchsfällen durch katholische Priester in den USA »tief beschämt« geäußert – und hartes Vorgehen gegen Kindesmissbrauch angekündigt. Für pädophile Priester sei kein Platz in der katholischen Kirche. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit Fakten das Bild vom »pädophilen katholischen Priester«, der überproportional unter Sexualstraftätern, die Kinder missbrauchen, zu finden sei, tatsächlich stützen. Schließlich existiert bis heute keine offizielle Statistik über geistliche Sexualstraftäter. Weiter gilt es, die Rolle streng hierarchischer Strukturen einer mit großem Einfluss ausgestatteten Organisation, wie die der katholischen Kirche, mit ihrer Forderung nach zölibatärem Ordensleben, bezüglich eines erhöhten Risikos, Sexualstraftäter in ihren Reihen anzutreffen, zu diskutieren. Übt im Ergebnis vielleicht gerade eine rigide Sexualpolitik besondere Anziehungskraft auf pädophil veranlagte Menschen aus oder fördert sie generell sexuelle Übergriffe? Im Fokus des nachfolgenden Beitrags stehen die Resultate der bislang größten Studie, die ausführlich das Phänomen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester der katholischen Kirche untersucht. Erstmals stammen die Daten dabei nicht etwa nur aus den Quellen der Ermittlungsbehörden oder der Justiz, sondern in erster Linie aus den Archiven der katholischen Kirche, welche diese zum Zwecke der Untersuchung öffnete.